hochfunktionale Depression

Das erste, das ich mir dachte, nachdem ich die Diagnose hochfunktionale Depression bekam, war: Oida, net mal a richtige Depression bekommst zam 🫣

Depressive Menschen kennt man ja. Ob im Bekannten,-Familienkreis, spätestens durchs Fernsehen und TikTok hat sich jeder schon mal ein bisschen damit beschäftigt,  ob gewollt oder ungewollt.

Wobei ich sagen muss, dass auf TikTok das gerne überdramatisiert wird. Da hat ja gefühlt jeder zweite Depressionen.

Meine Depression war mal schlimmer und mal besser. Ob ich zuerst depressiv und danach alkoholabhängig oder umgekehrt war, kann ich nicht beantworten. 

Meine Depression zeigte sich anders. Ich kam aus dem Bett, kam nie zu spät zur Arbeit,  war immer geduscht und geschniegelt. Meine Wohnung war sauber, und ich putzte mir die Zähne. Ich lachte mit Kollegen und Freunden, war für meine Nichte und meinen Neffen die lustige Tante. Und trotzdem war etwas enorm falsch. Denn mein Kopf war unglaublich müde. Ein Treffen mit Freunden oder irgendeine Feier, und ich brauchte mindestens eine Woche, um meine Batterien wieder aufzufüllen.  Ich machte Witze, und im nächsten Moment dachte ich darüber nach, ob Pulsadern aufschneiden sicher war ( sicher dass ich sterbe), oder ich doch lieber gegen einen Baum fahren sollte.
Das Problem bei dieser Art der Depression ist, dass es laaaange niemanden auffällt. Man funktioniert ja. Auch dir selbst gegenüber gibst du nicht zu, das etwas nicht ok ist, denn deine Alltagstätigkeiten bewältigst du ja mit links.
Ich kann mich erinnern,  dass ich einmal vor ein paar Leuten sagte, dass es mir nicht gut geht. Deren Reaktion vergesse ich nie. Sie lachten, und sagten: du hast doch alles im Leben, damit du es schönhast.  Du kannst gar nicht traurig sein.
Sowas prägt sich ein.
Als ich dem Alkohol schon so verfallen war, dass ich rund um die Uhr Vodka brauchte, war ich aufgrund des Alkohols nicht mehr funktional. Und meine Seele verfing sich immer mehr in der Depression. Dann erkannten es auch meine Familienmitglieder, das ich NICHT nur Alkoholiker war, sondern auch unendlich traurig und müde.
Manchmal war es so schlimm, daß meine Mama bei mir im Bett schlief (mit 30), damit ich mich nicht umbringen konnte.
Nicht natürlich ohne ihre Argumente,  wie peinlich und dumm ich war.

Seit ich in Therapie bin und offen mit meinen Krankheiten umgehen, kommen auch viele Menschen zu mir, die auch in einer depressiven Phase steckten oder sogar schon in der Depression.  Sowas teilt man nicht leichtsinnig, denn manche Menschen verstehen nicht, daß das eine Krankheit ist und auch so zu behandeln ist.

Denken wir nur mal an den zweiten Weltkrieg. In meiner Familie kamen einige Männer zurück,  die dann nach und nach "durchdrehten". So sagt man es bei uns im Dorf, wenn jemand körperlich unversehrt ist aber seelisch einige Wunden zugefügt bekommen hat. Früher gab es keine Aufklärung oder nur viel zu wenig, deshalb sind in meiner Familie auch einige Suizide ausgeübt worden.

Heutzutage ist es besser, aber es braucht noch lange, bis wir an den Punkt sind, unsichtbare Krankheiten genau so anzunehmen wie die sichtbaren.

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