Das schlimmste Jahr meines Lebens Teil 2
So vegetierte ich einige Monate dahin. In dieser Zeit fingen auch die Panikattacken an. Wenn ich meinen Pegel halten konnte, überstand ich den Tag. Wenn ich darunter kam, weil ich zum Beispiel zu wenig in die Arbeit mitnahm, bekam ich eine Attacke. Nicht nur einmal wurde ich mit der Rettung von der Arbeit aus ins Krankenhaus gebracht. Meine Kollegen dachten immer noch, dass ich nur psychisch im Sand war. Ich war ein Meister im Verstecken, so wie jeder Alkoholiker. Ich kam also öfters ins Krankenhaus, man sagte mir, dass ich so um die 2,5 - 2,9 Promille im Blut hatte ( also unter meinen normalen Pegel), bekam eine Infusion, ein paar besorgte Ratschläge oder Schuldzuweisungen der Ärzte, und fuhr wieder heim. Nicht um vorher im nächst gelegen Supermarkt meinen Vorrat aufzufüllen, um meinen Spiegel wieder herzustellen.
Irgendwann im August machte ich mir zum ersten Mal Sorgen. Dass ich zu viel trank, wusste ich schon länger. Spätestens seit den körperlichen Entzugserscheinungen, war mir klar, dass ich mitten in der Sucht gefangen war. Vom besten Freund verraten.
Aber nun kam noch was dazu. Ich bekam extreme Bauchschmerzen, die mich jede Minute des Tages plagten.
Solche Schmerzen hatte ich noch nie erlebt. Da ich aus Scham schon lange nicht mehr beim Arzt war ( bei den Panikattacken hatte ich keine Wahl), versuchte ich, meine Schmerzen mit Tabletten zu hemmen.
Mein Tag sah dann so aus: Ich erwachte sehr früh mit wahnsinnigen Schmerzen, musste mich übergeben. Dann meldete sich die Sucht mit ihren netten Entzugserscheinungen. Also trank ich meinen Vodka, und kämpfte sehr damit, diesen nicht gleich wieder hochzuwürgen. Bei jedem Schluck dachte ich, dass meine Eingeweide zerrissen. Wenn ich endlich so weit war, und einige Schlucke behalten hatte, spürte ich mit Schmerztabletten nach. Dann ging ich wie gewohnt zur Arbeit. Mit dem Alkohol und den bis zu 8 Parkemed am Tag , überlebte ich irgendwie den Tag. So ging es einige Wochen.
In der Zwischenzeit hatte ich, während meiner sehr spärlich angelegten "nüchteren" Momenten, also meinen Standardpegel haltend (was gar nicht so leicht war, meistens trank ich viel mehr aus Angst, wieder zu wenig intus zu haben), in einer Entzugsklinik angerufen, mit der Bitte, um dringende Hilfe, da ich das Gefühl hatte, dass ich innerlich langsam verrottete. Sterben wollte ich noch immer , es war mein sehnlichster Wunsch, aber nicht so.
Diese Entzugsklinik wies mich ab, da ich zuerst einen körperlichen Entzug machen musste. Also rief ich in einer Psychiatrie an, um einen körperlichen Entzug auszumachen. Da sie keine Plätze frei hatten, wiesen mich auch diese ab, ohne mir andere Möglichkeiten zukommen zu lassen.
Ich hatte meinen ganzen Mut zusammengenommen, um endlich ansprechen zu können, dass ich Hilfe brauchte. Und wurde abgelehnt. Somit war meine kurze Hoffnung verlischt, genauso wie mein kurz aufflackender Mut.
Ein paar Tage später, kam mir ein unglaublich guter Gedanke. Für diesen könnte ich mich heute noch schlagen.
Ich wollte einen kalten Entzug versuchen.
Ich fragte meinen Chef, ob ich mir eine Woche Urlaub nehmen konnte. Er sagte, aufgrund meiner psychischen Verfassung (ich weinte viel in der Arbeit, schlief in den Pausen ein) sofort ja. Er glaubte ja, dass ich Depressionen hatte und vermutete auch ein Burnout.
An meinem ersten Urlaubstag, brachte ich alle leeren Flaschen weg, und köpfte noch alle Reste Alkohol, die ich irgendwo fand.
Dann kuschelte ich mich ins Bett, und dachte voller Vorfreude daran, dass ich in spätestens 2 Tagen den schlimmen, körperlichen Entzug hinter mir hätte, und danach mein Leben neu beginnen konnte. Ich dachte nicht im Traum daran, dass diese Nacht zur Hölle wurde.
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