Das schlimmste Jahr meines Lebens Teil 1

2022 war das absolut schlimmste Jahr meines Lebens. 
Angefangen hat es damit, dass mein Freund Anfang März von heute auf morgen mit mir Schluss machte. 
Er verhielt sich schon ein paar Wochen ziemlich merkwürdig,  kein Abschiedskuss, keine gemeinsamen Fernsehabende mehr, kein Kuscheln, keine Nachrichten während des Tages. Sex hat es sowieso nicht mehr gegeben, er hatte kurz eine Therapie wegen seiner Pornosucht gemacht, aber diese nach 2-3 Sitzungen abgebrochen. 

Auch seine Eltern waren überaus freundlich zu mir, und eines Abends sprach ich ihn darauf an. Ich fragte, was los sei, und nach längerem Herumgedruckse sagte er folgende Worte: Ich liebe dich,  aber ich kann mir keine Zukunft mit dir vorstellen,  weder Heiraten, noch Umbauen, noch Kinder. 
Ich war perplex. Und geschockt. Ich hätte verstanden, wenn er mich wegen des Alkohols verlassen hätte, aber nicht deswegen.
Ein paar Monate davor hatten wir einen riesigen Streit. Wir hatten unsere Haushälfte komplett in Eigenarbeit renoviert, und jetzt da wir fertig waren, wollten seine Eltern aufgrund des voranschreitenden Alters des Vaters, dass wir Haushälften tauschen. Also sie in das neu renovierte, ebenerdige Haus, und wir sollten dafür in das alte Haus mit Stockwerk seiner Eltern ziehen. Das war das erste Mal, dass ich mich gegenüber seiner Eltern gegen etwas entschied. Wir diskutieren lange, und mein Freund verstand nicht, dass ich mich weigerte. Man muss dazu sagen, dass, bevor wir unsere Haushälfte renoviert hatten und einzogen, seine Eltern die Chance hatten, sich eine Hälfte auszusuchen.  Es war nicht unsere Entscheidung,  welche Hälfte wir  bekamen.
Und da ich dagegen war und somit seine Mutter nicht ihren Willen bekam,  schmissen sie mich zu dritt vor die Tür. Seine Eltern wussten es schon wochenlang vor mir, dass ich ausziehen musste und nicht mehr zu ihrem Leben gehören würde.
In dem Augenblick sah ich ihn nur stumm an, ging ins Schlafzimmer,  holte ein paar Sachen, und fuhr ohne noch ein einziges Wort an ihn zu richten zu meiner Schwester.
Die nächsten Wochen waren schlimm. Meine Mutter war so gnädig, und nahm mich wieder in mein Kinderzimmer auf. Ihre ersten Worte als ich ihr von der Trennung erzählt hatte waren : na wundert mich nicht dass er dich nicht mehr will, der war ja viel zu gut für dich.
In den Wochen darauf, holte ich meine Sachen, und war immer darauf bedacht, ja keinen von dieser Familie mehr zu sehen. 
Ich bekam bald eine eigene Wohnung, 
ich ging weiter zur Arbeit, schimpfte wie ein Rohrspatz über meinen Ex, ich tat so als wäre nichts Schlimmes geschehen.

Innerlich aber war ich gebrochen.  Der einzige Mensch, der mich jemals liebte, hatte mich verlassen. Meine/unsere Freunde, mein renoviertes Haus, meinen Hund ( den wir uns ein Jahr vorher zusammen geholt hatten), ALLES musste ich zurücklassen. Die Freunde, die ich vor meiner Beziehung hatte, hatten sich durch die Distanz längst verflüchtigt. 
Ich hatte niemanden mehr. Ich war allein, depressiv,  mein Herz war gebrochen und niemanden interessierte es besonders. 
Um meine Gedanken zu betäuben, trank ich. Aber es war kein Wein mehr. Innerhalb kürzester Zeit war ich dem Vodka verfallen. Ich schoss mich jeden Tag bis ins Koma weg, kroch zur Arbeit, um danach gleich wieder in den nächsten Supermarkt zu fahren und mir die nächste Flasche zu holen. So ging es einige Monate lang. Niemand bemerkte es, weder in der Arbeit, noch in meinem Umfeld. Niemand wusste, dass ich jeden Tag weinte, wenn ich aufwachte, da ich noch einen Tag leben musste. Niemand nahm zur Kenntnis, dass ich mich wieder selbst verletzte, ob mit Messer, Scheren, Feuerzeugen. Oft schlug ich meinen Kopf so fest gegen den Fliesenboden im Badezimmer, dass ich bewusstlos wurde. Und weinte wieder, wenn ich doch wieder mir dröhnenden Kopfschmerzen erwachte. Ich schluckte einen Haufen Tabletten, aber auch das half nichts,  ich kotzte nur alles wieder auf die eben geschriebenen Abschiedsbriefe neben mir.
All das bekam niemand mit. Mittlerweile trank ich auch schon morgens,  meine Mutter und meine Schwester bemerkten öfter meine Fahne, meine Mutter schrie mich an oder schenkte mir einen verhassten Blick, meine Schwester traute sich nichts zu sagen, aus Angst, dass ich mich dann komplett von ihr abwenden würde. So sah sie mich wenigstens hin und wieder , wenn auch immer betrunken, aber sie wusste, dass ich lebte.
Ich war innerhalb weniger Monate zu einer kompletten Pegeltrinkerin geworden. Ich musste nachts ein paar Schlucke Vodka trinken, um meine Entzugserscheinungen zu lindern. Morgens war mein erster Griff nicht zum Wecker, sondern zur Flasche. Mit 15 grossen Schlucken kam ich ca 2 Stunden aus.In die Arbeit nahm ich mir in der Regel eine grosse Orangensaftflasche mit, dreiviertel Vodka, einviertel Orangensaft und gelbe Lebensmittelfarbe. Kaugummis und Mundwasser hatte ich auch immer dabei. So überstand ich den Tag. Jetzt im Nachhinein finde ich es erstaunlich,  dass ich niemals in diesem extremen halben Jahr einen Unfall gebaut,  einen Fehler in der Arbeit gemacht habe (ich habe mit viel Geld zu tun und bin in einer  Führungsposition) noch hat mich ein Kollege beim Trinken erwischt oder meine Fahne gerochen. Ich war immer geduscht, hatte saubere Kleider an, meine Wohnung war auch  immer auf Vordermann. Nur brauchte ich als Antrieb immer mindestens ein 250ml Glas Vodka, nur ab da war ich leistungsfähig. 

Aber in meinen Kleiderschrank durfte keiner sehen, dort stapelten sich die leeren Flaschen fast meterhoch.  Ich kam bei meinem Konsum mit dem Wegwerfen nicht mehr hinterher.

So lebte ich einige Monate, wenn man das Leben nennen konnte. Ich träumte vom Tod, ich betete zu Gott, mich endlich zu erlösen. Ich trank und trank und trank. Ich verletzte mich, ich hasste mich abgrundtief.
Ich gab mir die Schuld an dem Aus der Beziehung,  und innerlich dachte ich jede freie Sekunde:  Mama hatte recht, niemand kann mich lieben, da ich einfach nicht liebenswert war. 


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